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Buch - Wunschmaschine Mittelalter
 
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Al-Nasir
Gast bei Ubo´s Söldner
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BeitragVerfasst am: 10.07.2008, 16:14    Titel: Buch - Wunschmaschine Mittelalter Antworten mit Zitat

Zitat:
Wunschmaschine Mittelalter
Bis heute ist die Epoche des Mittelalters an Wunschvorstellungen gebunden: Bedürfnisse nach einem ganz anderen, scheinbar authentischen Leben
Das Mittelalter ist überall, bis heute: Man denke nur an das letzte Burgfest mit Flötenspielern, Umberto Ecos Faible für diese Epoche, Peter Jacksons filmische Adaption von Tolkiens "Der Herr der Ringe" oder diverse Online-Shooter-Games, deren Ästhetik der des Mittelalters eindeutig entliehen ist.


Das Mittelalter, also jene Epoche zwischen dem Ende des Weströmischen Reichs (476) und der Entdeckung des amerkanischen Kontinents (1492), ist auch Thema von Valentin Groebners Buch Das Mittelalter hört nicht auf. Über historisches Erzählen. Der Autor und Dozent für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Luzern stellt sich die Frage, was denn heute unter "mittelalterlich" eigentlich verstanden würde und verfolgt dabei die unterschiedlichen - historischen - Inszenierungen dieses Zeitalters, das in der Gegenwart eine magische Strahlkraft auf uns auszuüben scheint.

Vergangenheiten und Gegenwarten

Wie wir aus dem nun doch schon etwas in der Ferne liegenden Geschichtsunterricht wissen, haben sich Menschen in den unterschiedlichen historischen Epochen nie selbst als im Barock, in der Renaissance oder eben im Mittelalter lebend bezeichnet. Deshalb ist auch nicht verwunderlich, dass - so eine von Groebners Thesen - die Geschichte eine Wunschmaschine ist, deren unterschiedliche Bilder vor allem in der Gegenwart gezeichnet werden. Mehr noch, der Autor geht von unterschiedlichen Gegenwarten aus und versucht ganz konkret dem Mittelalter über seine Wahrnehmung vom 16. bis hin zum 21. Jahrhundert auf die Spur zu kommen. Denn die Bilder vom Mittelalter haben sich seither verändert, und dennoch hängen die aktuellen Bilder mit den älteren zusammen und können nicht ohne eine kritische Position gegenüber der Rezeption des Mittelalters und in weiterer Folge der Mittelalterforschung verstanden werden.

Zusätzlich zur aktuellen Bedeutung des Paradoxons "Mittelalter" als zugleich düster und romantisch, aufregend und fremdartig und als "Wurzel des uns heute Prägenden", kritisiert Groebner die wissenschaftliche Disziplin der Mediävistik, die sich in ihren Untersuchungen zu sehr auf Europa konzentriert und dieselbe Epoche bei den Arabern, Mongolen, Byzantinern und Slawen fast zur Gänze außer Acht lässt. Ebenso kritisiert er in diesem sprachlich pointierten Essay die deutschsprachige Wissenschaft vom Mittelalter als "Sanskrit", als "imponierendes, fremdes, und einigermaßen bizarres Wissensgebäude", das Nicht-Eingeweihte lediglich von Außen betrachten können und das keinerlei Mehrwert für Lebensfragen erzeugt: "Wer zur Verteidigung des Mittelalters vorbringt, dass naturwissenschaftliche Empirie ein Konzept des 13. Jahrhunderts sei, das Rechnen mit der Zahl Null eine mittelalterliche Errungenschaft und [wer, Anm.] das moderne Wort Display vom altfranzösischen despieger ableitet, vom Auseinanderfalten der Fahne auf dem Schlachtfeld, der überzeugt vor allem andere Mittelalterspezialisten."

Der öffentliche Gebrauch der Geschichte des Mittelalters in Filmen, Computerspielen, oder allgemeiner noch, in den boomenden Inszenierungen der Freizeit- und Vergnügungsindustrie, kann also keineswegs geleugnet werden. Valentin Groebners Das Mittelalter hört nicht auf ist gleichzeitig ein Plädoyer für eine Öffnung der Mittelalterforschung hin zum bewussten Umgang mit der eigenen Rezeption des Untersuchungsgegenstands sowie ein Plädoyer für die dringliche Einbindung des täglichen Lebens in diese Forschungsfragen und damit die Untersuchung der Präsenz eines Mittelalters im 21. Jahrhundert - sehr zeitgemäß. (fair)
Valentin Groebner: Das Mittelalter hört nicht auf: Über historisches Erzählen, Beck 2008, 192 Seiten, gebundene Ausgabe, 19,90 Euro
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Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben.
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